Zum Nachlesen

Die Begrüßung

Herzlich willkommen am jüdischen Friedhof von Mallersdorf-Pfaffenberg.

Wenn man hier steht, wundert man sich, dass ein kleiner Ort wie Mallersdorf-Pfaffenberg einen jüdischen Friedhof hat, wo diese doch relativ kleine Marktgemeinde in Niederbayern doch gar keine jüdische Gemeinde oder gar eine Synagoge hat.

Der Anlass für die Entstehung des Friedhofs hat einen sehr traurigen Anlass, der sich in den letzten Tagen des Krieges zugetragen hat.

Bevor sie den Friedhof betreten

Herr Huber berichtet von seinen Erinnerungen

Direkt vor Ihnen sehen sie das Tor zum jüdischen Friedhof, dessen Mitte ein großes Denkmal ziert. Um den Gedenkstein verteilen sich 67 Davidssterne, die jeweils die Grabstätten von 67 jüdischen Gefangenen des 3. Reichs, also der Regierung Hitler, kennzeichnen. Diese Menschen kamen in den letzten Tagen des 2. Weltkrieges hier zwischen Mallersdorf-Pfaffenberg und dem linker Hand von Ihnen sichtbaren Oberlindhart zu Tode.

Die Gedenkstätte wurde 1947 an der Straße von Mallersdorf-Pfaffenberg nach Oberlindhart auf dem Gebiet des Ortsteils Steinrain unter Staatskommissar Dr. Auerbach mit Unterstützung des Landratsamtes Mallersdorf-Pfaffenberg und den damaligen jüdischen Kultusgemeinden Ergoldsbach, Geiselhöring und Mallersdorf angelegt.

Finanziert wurde das Ehrenmal durch die jüdische Bevölkerung des Landkreises Mallersdorf, fast ausschließlich sogenannte „displaced persons“, also Personen, die sich kriegsbedingt außerhalb ihres Heimatgebietes aufhielten und ohne Hilfe nicht zurückkehren konnten.

Öffnen sie nun das Tor des Friedhofs und betreten sie ihn, bevor sie die nächsten Infos erhalten.

Das zentrale Denkmal

Vor Ihnen sehen sie nun ein steinernes Mahnmal, das auf Steinsäulen innerhalb eines gemauerten Davidsterns steht. Auf dem Denkmal steht in 3 Sprachen: "Zum ewigen Gedächtnis für alle Zeiten. Hier ruhen 67 von den sechs Millionen jüdischen Opfern, die durch Nazi-Grausamkeit zu Tode gemartert wurden, als sie im Jahre 1945 aus dem Lager Buchenwald geführt wurden. Heilig sei das Andenken des unschuldig vergossenen Blutes". 

Oft liegen Steine am Sockelboden. Das ist ein jüdisches Ritual, das sowohl als „Anklopfen“ gedeutet wird, als auch ein Zeichen des „Ich war da und habe an dich gedacht“ ist.

Rund um den Gedenkstein sehen sie nun 67 Davidsterne als Grabmarken. Diese Sterne wurden vor einigen Jahren in einer Projektarbeit der umliegenden Schulen von deren Schülern gemeinsam restauriert.

Die Ereignisse von 1945

Die von Schülern restaurierten 67 Davidsterne

Wandern sie nun gerne durch die Davidsterne und hören sie, was passierte, denn in genauen Etappen wollen wir Ihnen nun von den Geschehnissen Ende April 1945 erzählen. Bei unseren Recherchen stießen wir immer wieder auf unterschiedliche Angaben. Die Ereignisse liegen ja schon eine lange Zeit zurück, so dass unsere Quellen einiges vergessen oder nicht mehr so genau in Erinnerung haben. Zudem waren sie damals noch Jung und haben auch viel erzählt bekommen, das sie mit den eigenen Beobachtungen verknüpften. Angst, extremer Hunger und Durst sowie die körperliche Konstitution tun noch ihr Übriges.

 

Donnerstag, 26.04.1945

Nachmittags

Am Nachmittag des 26.04.1945 erreicht ein Zug von 150 bis 200 jüdischen KZ-Häftlingen und etwa 10 bis 30 SS-Leuten Oberlindhart. Der Zug ist nun fast drei Wochen unterwegs, seit er mit ca. 1500 jüdischen Gefangenen und 200 Wachleuten das KZ Buchenwald verlassen hat.

16:30 Uhr

Um etwa 16:30 Uhr beschlagnahmt die SS dort im Bauernhof Kreszenz Schmalzl die Scheune sowie Lebensmittel.

Was ist SS?

Manche fragen sich nun, was ist die SS? Die SS, abgekürzt für Schutzstaffel, war eine nationalsozialistische Organisation der Hitler-Partei NSDAP und diente Adolf Hitler als Herrschafts-und Unterdrückungsinstrument.

Ab 1934 verwaltete die SS Hitlers Konzentrationslager, ab 1941 auch die Vernichtungslager. Sie war an der Planung, wie an der Durchführung des Holocausts, also der Ermordung der Juden und anderer Völkermorde vorrangig beteiligt.

Im nationalistischen Völkermord wurden 5,6 bis 6,3 Millionen europäischen Juden ermordet.

 

Zurück zu den Geschehnissen: Die Bewacher der SS übernachten im Haus der Familien Schmalzl und Rottmeier, die abgemagerten und dem Tod nahen Juden sollten im Stroh des Schmalzl-Stalles lagern. Doch im Laufe der Nacht gelingt einigen Häftlingen die Flucht.

Wie kam es nun dazu?

Freitag, 27.04.1945

01:30 Uhr

Zum Schutz vor den Feinden und um den Siegern zerstörtes Land zu hinter-lassen, sprengen deutsche Wehrmachtspioniere die 200 Meter entfernte Laberbrücke und die Eisenbahnbrücke nahe des Schmalzlhofs.

Die SS war nicht informiert und vermutet US-Truppen wären im Anmarsch. Unruhe kam auf, Schüsse fielen, schließlich wollte man sich vor dem Feind verteidigen.

Die jüdischen Häftlinge nutzen die Gunst der Stunde und versuchen sich zu retten. 20-40 Häftlinge verbergen sich im Stroh des Stadels oder andere flüchten in den nahen Wald und einige in die Huber-Mühle.

Drei der Flüchtenden werden noch auf dem Schmalzlhof von der SS erschossen.

9:00 Uhr

Der Mallersdorfer Gendarmerie-Postenführer Josef Kimmerling begegnet um ca. 09:00 Uhr in Neufahrn drei schwer bewaffneten Mitgliedern der SS-Wachmannschaft, die in Oberlindhart nach den entflohenen Juden gesucht hatten. Dabei erfährt er, dass er solche Flüchtlinge sofort zu töten habe, andernfalls werde er selbst erschossen.

Mittags

Kimmerling berät sich mittags mit dem Gendarmerie-Kreisführer in Mallersdorf und dem stellvertretenden Landrat, wie mit den Häftlingen in Oberlindhart zu verfahren sei. Für Kimmerling kommt eine Erschießung der Flüchtlinge nicht in Frage. Er entschließt sich zu einer Rettungsaktion auf eigene Faust.

14:30 Uhr

Am frühen Nachmittag sollen Kimmerling und sein Mitarbeiter Diermeier im Anwesen Schmalzl sieben Häftlinge abholen. Diermeier erhält den Befehl, diese nach Mallersdorf in die Zelle der Polizeistation zu überführen.

Zwischen 16:00 und 17:00 Uhr

Der Ergoldsbacher Polizeipostenführer Max Mauerer fährt zu der Zeit mit dem Motorrad Richtung Neufahrn und sieht SS-Wachleute mit KZ-Häftlingen in dieselbe Richtung gehen. Er hält vorerst nicht an, da er die Brutalität der SS fürchtet, weiß aber bereits, dass er etwas unternehmen muss.

17:30 Uhr

Die geschwächten Häftlinge kommen gegen 17:30 Uhr gemeinsam mit Polizist Diermeier in Pfaffenberg an und werden wegen Überbelegung weiter nach Neufahrn transportiert. Dort übernachten sie in der Arrestzelle.
Unterwegs trifft Kimmerling auf zwei weitere entflohene KZ-Häftlinge. Er verspricht auch ihnen, sie zu retten.

Samstag, 28.04.1945

Vormittags

Am Vormittag des 28.04.1945 lässt Kimmerling aus Oberlindhart vier weitere Häftlinge abholen. In seiner Obhut befinden sich nun 13 Personen. Er überlegt, wie er am besten Vorgehen soll.

nach 18:00 Uhr

Kimmerling und Maurer vereinbaren den Tötungsbefehl zu umgehen und die Häftlinge zu verstecken. Kimmerling führt die Häftlinge am Abend nach Prinkofen, Maurer fährt voraus und bringt die Häftlinge auf den Hof der Familie Gnadl.
Anna Gnadl bietet sofort die Scheune als Versteck an und bringt Verpflegung. Die ausgemergelten Häftlinge sind kaum in der Lage die Kartoffelsuppe zu löffeln, so schwach sind sie. John Weiner ist einer der Gefangenen und im Teenageralter. Er wiegt nur noch 24 kg.

Maurer lässt die Häftlinge ohne Bewachung zurück. Er bittet die Männer, sich vor der SS versteckt zu halten und kündigt die nahende Befreiung durch US-Truppen an.

Warum kamen die US-Truppen?

Mancher fragt sich nun, was haben die amerikanischen Truppen denn mit der Sache zu tun?

Überall in Deutschland, so auch in Mallersdorf-Pfaffenberg, kamen die Amerikaner, weil sie den Krieg beenden und Hitler stoppen wollten. In Mallersdorf-Pfaffenberg kamen sie am 29.04.1945 an, gerade, als die jüdischen Häftlinge dort kampierten.

Der Krieg wird am 08.05.1945 in Berlin für beendet erklärt.

Nachts

Zurück zum Hof von Anna Gnadl. In derselben Nacht, als dort die Juden versteckt wurden übernachten drei SS-Männer auf dem Gnadl-Hof, ohne die Häftlinge zu bemerken.

Sonntag, 29.04.1945

7:00 Uhr

Die amerikanischen Truppen rücken in Ergoldsbach ein.
Die 13 Menschen in der Gnadl-Scheune sind gerettet.

 

Weiterführende Materialien

Einer der überlebenden war John Weiner, der damals gerade ungefähr 19 Jahre alt war und von Max Maurer gerettet wurde. Er lebte später sogar, bis er ihm etwas besser ging, bei der Familie Maurer. Durch die Strapazen und die schlechte Behandlung im KZ wog John Weiner nur noch 24 kg. Das erzählt er in dem Film „Morgen ist ein anderer Tag: Der deutsche Dorfpolizist und die Juden“ von 2011. Er berichtet über den 450 km langen Fußmarsch von Buchenwald bis Mallersdorf-Pfaffenberg. Eigentlich war das KZ in Dachau das Ziel.

Von den anfangs 1500 Gefangenen – so berichtet John Weiner im Film - kamen ca. 80 in Mallersdorf-Pfaffenberg an. Nur 13 wurden gerettet, darunter:

  • Weiner, John- Jancsi, ein ca. 19-jähriger Jugendlicher, der danach nach Australien auswanderte
  • Ancselovics Angel Moses Moritz war damals 14 Jahre und wanderte nach langen Klinikaufenthalten nach Michigan, USA aus
  • Lusztig, Josua: slovakischer Rechtsanwalt
  • Rauchwerk, Bandi-Andrew, Endre: Jugendlicher
  • Kohn, Moses
  • Lieberman, Majer

Hier finden sie die Dokumentation über John Weiner, die etwa eine Stunde dauert: Morgen ist ein anderer Tag - der deutsche Dorfpolizist und die Juden (Doku, 2011)

Die Helfer

  • Familie Schmalzl war der Landwirt, der seinen Stall in Oberlindhart für die Häftlinge zur Verfügung stellen musste.
  • Familie Rottmeiers Bauernhof in Oberlindhart diente als Versteck für die Flüchtlinge nach den Brückensprengungen
  • Familie Huber bot in der Mühle ebenfalls Unterschlupf. Der Sohn der Familie ist unser Zeitzeuge.
  • Familie Gnadl Anna gab den 13 geretteten in Prinkofen, Ortsteil Ergoldsbach Unterschlupf bis zur Befreiung durch die Amerikaner. Sie verköstigte die Flüchtlinge und rettete sie so vor dem Hungertod. Sie selbst ist am 10.05.1907 in Prinkofen geboren und heiratete 1932. Zwischen 1932 und 1945 kommen 6 Kinder auf die Welt - 3 Mädchen und 3 Buben. Sie riskierte mit dem Unterschlupf für die Juden somit nicht nur ihr Leben, sondern das ihrer ganzen Familie. 1981 starb sie in Prinkofen.
  • Josef Kimmerling war der Polizeipostenführer in Neufahrn, der die Flüchtlinge nicht wie befohlen tötete, sondern die Rettung unterstützte. Er wurde am 26.01.1892 in Thalmassing im Kreis Regensburg geboren und heiratet 1924 Walburga Obermeier nachdem er 1922 seine Polizeilaufbahn antrat. 1927 wurde sein Sohn Walter geboren, dessen Leben er auch durch die Rettungsaktion gefährdete. Im Laufe der Jahre arbeitet er unter anderem in Bogen, Herrenwaldberg, im Bayerischen Wald, sowie Wallersdorf und Otterskirchen. Vom 01.05.1942 bis 01.09.1945 leitet er die Gendarmeriestation Neufahrn. Er starb 1953 in Mallersdorf
  • Diermeier war Polizist und der Kollege von Kimmerling. Beide retteten die 13 Überlebenden.
  • Max Maurer war der Polizeipostenführer in Ergoldsbach. Er ist am 23.03.1891 in Regenstauf geboren und hatte 6 Geschwister, 3 davon hatten den Beruf des Polizeibeamten gewählt. 1920 heiratet Max Maurer Else Arsan. 1931 wird die Tochter Martha geboren. 1935 - 1946 arbeitete als Polizeipostenkommandant in Ergoldsbach. 1972 starb er in Ergoldsbach. Da er Mitglied der NSDAP, der Hitlerpartei, war, wurden nach dem Kriegsende Untersuchungen angestellt, ob er verurteilt werden müsse. Aber die geretteten bezeugten, dass er das wichtigste Bindeglied für ihre Rettung war und er sein eigenes Leben riskiert hatte um die 13 Überlebenden zu befreien. Am 13. Dezember 1995 wurde Max Maurer im Yad Vashem als „Righteous among the Nations“ also „Gerechter unter den Völkern“ aufgenommen, was eine große Ehre für die Retter jüdischer Verfolgter bedeutet, denn es drückt die Dankbarkeit des jüdischen Volkes aus. Vad Yashem ist die bedeutendste internationale Holocaust Gedenkstätte. Sie steht in Jerusalem und soll sowohl zum Gedenken aufrufen als auch Dokumentationszentrum sein.

Zeitzeugen-Interview mit Hans Huber

Wir – Josef und Leon – haben Herrn Huber in der Hubermühle nahe der Laberbrücke besucht und ihn nach seinen Erinnerungen zu den Vorfällen im April 1945 gefragt. Sehen sie, was uns Herr Huber erzählen konnte:

Das Lied von Jan Hauenstein

Zum Schluss noch ein musikalischer Beitrag von Jan Hauenstein - The Dead Heroes of Ergoldsbach. Verweilen sie ein wenig und lauschen sie dem Lied.

Hier ein paar Worte zum Inhalt:

Im Lied beschreibt Jan Hauenstein, das Leben von John Weiner, der jetzt Australier ist und den Menschen über seine Erlebnisse während der Hitler-Regierung berichtet. Er erzählt davon wie John Weiner als wandernder Körper dem Tod entgegenschritt bis er nach Ergoldsbach kam und dort von Max Maurer gerettet wurde. Jan Hauenstein singt von der Schule, die nach Anna Gnadl und Max Maurer benannt werden sollte, letztendlich aber nur eine Ehrentafel erhielt.